Der Zerstörer des Fußballs

Seit der übel beleumundete Präsident von AEK Athen, Makis Psomiadis, seinen Starspieler Demis Nikolaidis massiv bedroht hat, gilt er als Symbolfigur für die Krise des griechischen Fußballs

aus Athen TORSTEN HASELBAUER

Als Demis Nikolaidis, der Stürmerstar von AEK Athen, in der vergangenen Woche mitten in der Nacht durch lautstarkes Klopfen an seiner Haustür im schicken Athener Stadtteil Filothei geweckt wurde, staunte er nicht schlecht. Denn diesmal waren es keine aufdringlichen Fans. Diesmal, das erzählte der griechische Nationalspieler einen Tag später auf einer Athener Polizeistation, waren es acht finstere und kräftige Gestalten, die ihn mit Baseballschlägern bedrohten, ihm den Arm umdrehten und an die Hauswand drückten. Dann sprach kein Geringerer als sein Vereinspräsident, Makis Psomiadis, zu dem verdutzten Fußballidol. Der AEK-Boss drohte laut Nikolaidis, ihm bei seinem nächsten Besuch beide Beine brechen zu lassen, wenn er sich nicht fortan nur noch auf das Fußballspielen konzentriere. Seitdem es bei AEK Athen fußballerisch kriselt, hat der mächtige Präsident des Vizemeisters ein striktes nächtliches Ausgehverbot verhängt. Durch unangemeldete Besuche in der Nacht kontrolliert Psomiadis höchstselbst, ob seine Kicker auch artig im Bett liegen.

Nun ist man im skandalträchtigen griechischen Fußballgeschäft einiges gewohnt. Aber mit dieser aberwitzigen Nacht-und-Nebel-Aktion des Nachtklubbesitzers und „Paten des griechischen Fußballs“ hat sich Makis Psomiadis wohl endgültig aus der Balance geworfen. Er bestreitet zwar, er hätte seinem Goalgetter gedroht, ihm die Beine zu brechen, doch dass er ihn mit seinen Haudegen im Schlepptau besucht und bedrängt habe, leugnet „Big Mac“ nicht. Das würde ihm auch schwer fallen, denn Nikolaidis war nicht allein zu Haus. Zu Gast – und damit Zeugin – war seine Freundin, die in Griechenland berühmte Popdiva Despina Vandi. Aufgrund dieser Beziehung und wegen des coolen Erscheinungsbildes von Nikolaidis abseits des Fußballfeldes gilt der 29-jährige Torschützenkönig der vergangenen Saison als eine Art „David Beckham des griechischen Fußballs“.

Ganz anders der Ruf seines Widerparts Makis Psomiadis. Derzeit wartet er in Athen auf sein Berufungsverfahren gegen eine zwölfjährige Haftstrafe, die im vergangenen November wegen zahlreicher Betrugsdelikte ausgesprochen wurde. Deshalb darf der großspurige Zwei-Meter-Mann Griechenland derzeit nicht verlassen. Seine standesgemäßen Insignien sind die dicke Zigarre, die dunkle Sonnenbrille und der für Griechen ziemlich „chefig“ anmutende Whiskey, den der Präsident sich in ausgelassener Stimmung manchmal sogar auf der Trainerbank gönnt. Fehlen darf natürlich auch nicht das griechische Machosymbol schlechthin, eine Art Perlenkette („Komboloi“), die Psomiadis ostentativ zwischen seinen Fingern hin und her schwingt.

Inzwischen befassen sich selbst die rare Qualitätspresse in Griechenland und die seriösen TV-Nachrichten mit dem Fall Nikolaidis. Dabei geht es jedoch längst nicht mehr um die beiden Protagonisten, sondern um einen plötzlich von allen Seiten geforderten „Säuberungsprozess“ im griechischen Fußball. Eine höchst seltene Koalition von ranghohen Fußballfunktionären und Mitgliedern der Regierungspartei Pasok will den schillernden und oft ziemlich taktlosen Makis Psomiadis endgültig aus dem Fußballgeschäft hinauskicken. „Wenn Psomiadis nicht innerhalb der nächsten zehn Tage aus sämtlichen Ämtern bei AEK Athen entlassen wird, wird der Verein in die zweite Liga zwangsversetzt“, erklärte der griechische Staatssekretär für Sport, Giorgos Lianis, zu Wochenbeginn. Und auch Kultusminister Evangelos Venizelos mischt sich, wie immer, medienträchtig ein und fordert die „sofortige und endgültige Entfernung von Psomiadis aus dem griechischen Fußball“.

Der Skandal scheint den Ligabossen und Regierungsparteimitgliedern gerade recht zu kommen, kann doch so prima von den eigenen Unzulänglichkeiten im chaotischen, oft korrupten Ligabetrieb abgelenkt werden. Denn der griechische Fußball steckt in seiner wohl schwersten Krise. Mindestens zwölf der insgesamt sechzehn Vereine der ersten Liga gelten als hoffnungslos bankrott, seitdem der Pay-TV-Sender „Alpha-Digital“ im vergangenen September wegen zu geringer Abozahlen seinen Sendebetrieb einstellte und die versprochenen Fernsehgelder in Höhe von rund 35 Millionen Euro an die Vereine ausblieben. Seitdem haben die meisten der Clubs die Gehaltszahlungen an ihre Spieler ausgesetzt. Auch Nikolaidis, dessen linke Schulter ein farbenprächtiges AEK-Tattoo ziert, verlangt angeblich eine 100.000-Euro-Nachzahlung von seinem Präsidenten. „Der schöne Demis“ erklärte, ab sofort nicht mehr für seinen Verein zu trainieren oder zu spielen, solange Psomiadis bei AEK Athen etwas zu sagen habe. „Er zerstört mich, mein Team, den griechischen Fußball“, sagte der Star, flankiert von zwei Bodyguards, die er seit letzter Woche angeheuert hat.